Konflikt der Energiewende: Agrophotovoltaik
Agrophotovoltaik: Der immer stärker fortschreitende Klimawandel, die immer näher rückenden Kipppunkte im Klimasystem sowie Stark-Wetterereignisse weltweit, verlangt nach erneuerbaren Energien. Und die Mehrheit der Gesellschaft will erneuerbare Energie.
Die interessanteste Möglichkeit für regenerative Energie ist die Photovoltaik, wozu dann definitiv auch die Freiflächenanlage als Kraftwerke zuzurechnen sind, welche vornehmlich auf Grünland- und Ackerflächen errichtet werden.
Dagegen leiden immer noch weltweit zu viele Menschen an Hunger sowie schlechter Ernährung und tatsächlich steigt die weltweite Verbreitung von Unterernährung nach Jahrzehnten des Rückgangs wieder. Diese Entwicklung könnte ein Vorzeichen dafür sein, dass sich auch andere Hungerindikatoren umkehren. Auch bei den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung zur Kinderernährung hinken wir weltweit immens hinterher.
Krisen, Konflikte und Klimawandel machen Zero Hunger unwahrscheinlich
Die Klimakrise ist neben Konflikten, Gewalt und fragiler Staatlichkeit einer der Hauptgründe dafür, dass die Zahl hungriger und mangelernährter Menschen wieder rasant steigt. Um diesen Trend umzukehren und Hunger und Mangelernährung zu bekämpfen, ist der Schutz des Klimas somit unerlässlich.
Ethische Fragestellung
Jetzt stellt sich uns selbstverständlich die Frage, ob es angesichts des Hungers in der Welt ethisch vertretbar ist, die landwirtschaftlichen Flächen nicht mehr für den Anbau von Lebensmitteln zu nutzen und stattdessen dort Solarenergie zu produzieren. Können wir es den Landwirten verdenken, wenn sie diese attraktiven Angebote in Form von hohen Pachten für Freiflächen-Photovoltaikanlagen annehmen? Zumal die Kritik an ihnen wegen der “Verseuchung” des Grundwassers oder der “Vergiftung” der Landschaft ja dann nicht mehr an sie herangetragen wird.
Es gibt eine Lösung: Doppelnutzung der Flächen!
Ackerflächen wurden bislang entweder für Photovoltaik oder Photosynthese, also für die Stromerzeugung oder die Nahrungsmittelproduktion genutzt. Die sogenannte “Agrophotovoltaik”, die bereits 1981 von Prof. Dr. Adolf Goetzberger, Gründer des Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, erdacht wurde, kombiniert beide Produktionsformen und mildert durch die ressourceneffiziente Doppelnutzung von landwirtschaftlichen Flächen die Flächenkonkurrenz und hilft Landwirten, zusätzliche Einkommensquellen zu erschließen.
Eine Agrophotovoltaik-Anlage (APV) ist in der Regel eine Freiflächenanlagen, die mit einer landwirtschaftlichen Produktion funktional kombiniert wird. Häufig werden dazu die Solarmodule auf Gestellen in Höhen von 4 bis 5m über dem Boden bzw. der Anbaufläche schräg aufgeständert, sodass unter der Anlage eine maschinelle Bearbeitung der Ackerfläche (Pflügen, Saat, Ernte etc.) möglich ist. Zu den teilverschattet angepflanzten Pflanzensorten zählen u.a. Kartoffeln, Hopfen oder Salat. Aber auch Gerste, Raps oder Kohl lassen sich so anbauen.
Eine weitere Form der Agrophotovoltaik ist die senkrechte Aufstellung von bifazialen Modulen. Solche Module können das Licht von beiden Seiten in elektrische Energie umwandeln, so dass von beiden Seite zusammen auch bei senkrechter Aufstellung gute bis sehr gute Energieerträge erreicht werden können. Bei solchen Anlagen wird die Bodenfläche nicht überbaut, sondern kann zwischen den senkrecht stehenden Modulreihen zu ca. 90 % weiter genutzt werden. Ein weiterer Vorteil der senkrechten Aufstellung ist das Einfangen der Sonnenenergie vornehmlich in den Morgen- und Abendstunden und damit eher entgegengesetzt zu angewinkelt nach Süden ausgerichteten Dachanlagen – das stabilisiert den Tagesverlauf der Solarenergie im gesamten Stromnetz.
Prinzip, Anwendungen und Nutzen der Agrophotovoltaik für die Landwirtschaft
- Die Agrophotovoltaik (APV) ist ein Anbausystem zur Produktion von landwirtschaftlichen Gütern unterhalb oder inmitten von PV-Freiflächenanlagen, das die Erträge aus Photovoltaik und Photosynthese, also die gleichzeitige Ernte von Solarstrom und Lebensmitteln, insgesamt optimiert.
- Ein Prinzip, welches landwirtschaftliche Flächen gleichzeitig der Nahrungsmittelproduktion und der Stromerzeugung durch Solarenergie dienen, steigert die Flächeneffizienz und fördert in der Bevölkerung die Akzeptanz der Anlagen und der Energiewende im Allgemeinen. Denn in Folge der hohen Nachfrage spitzt sich die Konkurrenz um Agrarflächen in vielen Gegenden bereits zu.
- Agri-PV hilft auch, Ackerkulturen vor Dürreschäden und Witterungseinflüssen wie Hagelschäden oder Starkregen zu schützen. Zudem verringert sich durch die Teilbeschattung die Verdunstungsrate und teure Hagelschutznetze oder Folientunnel werden überflüssig. In netzfernen Gebieten kann Agri-PV überdies Strom für die Gewinnung und die Aufarbeitung von Wasser liefern. Der Boden unter den Modulen wird von den Solarmodulen teilweise beschattet. Dies bedingt eine angepasste Fruchtfolge, hat aber auch positive Effekte zum Beispiel für den Erhalt der Bodenfeuchtigkeit und die Verringerung der Erosion und des Wasserverbrauchs. Unterhalb der PV-Anlage entsteht so eine Bodenstruktur mit günstigem Mikroklima, was einen Beitrag für eine umwelt- und klimafreundliche und damit zukunftsfähige Landwirtschaft darstellt.
Durch Winderosion kann fruchtbarerer Ackerboden verloren werden. Auch dies ist ein Risiko, gegen welches eine Photovoltaik-Anlage entgegen wirken kann.
Doppelnutzung steigert Landnutzung!
Durch die Doppelnutzung der landwirtschaftlichen Fläche kann die Agrosolarstrom-Produktion die Landnutzungseffizienz summiert um ca. 60 Prozent steigern.
Die Ergebnisse der ersten Ernten haben unterschiedlich hohe Mindererträge (Kleegras – 5,3 %, Kartoffeln, Weizen und Sellerie rund – 18 bis – 19 %) ergeben. Demgegenüber konnten mit der installierten Leistung von 194 Kilowatt und 1.266 Kilowattstunden Strom pro installiertem Kilowatt Leistung 62 Vier-Personen- Haushalte versorgt werden. Für sich allein genommen, waren die Erträge der Photovoltaik auch geringer als eine “reine“ Freiflächenanlage.
Besonders lukrativ war auch bei dieser Form der PV-Eigenverbrauch, da die Stromernte vom Acker in ihrem täglichen Verlauf gut zu den Lastverläufen auf dem Hof passt. So wurde etwa 40 Prozent des erzeugten Solarstroms in der Hofgemeinschaft direkt für das Betanken des Elektrofahrzeugs sowie die Verarbeitung der Produkte genutzt.
Internationale Anwendungen von Agro- und Aquaphotovoltaik
Die Agrophotovoltaik (APV) gewinnt zunehmend auch in Entwicklungs- und Schwellenländern an Bedeutung. Aufgrund der häufig höheren Solareinstrahlung kann die Photovoltaik einen noch höheren Ertrag erbringen und die Verschattung durch die Module ermöglicht es, Kulturpflanzen anzubauen, die von einer weniger starken Sonneneinstrahlung profitieren.
Das Potenzial der Agrophotovoltaik für aride und semi-aride Regionen wird als sehr groß eingeschätzt, da dort große Teile der Bevölkerung von der Landwirtschaft leben, die von Trockenheit, Wüstenbildung und Wassermangel infolge des Klimawandels besonders stark betroffen sind. Durch die partielle Verschattung von Ackerflächen senken Agrophotovoltaik-Anlagen nachweislich den Bedarf an der wertvollen Ressource Wasser und bieten Nutztieren Schatten. Auch Fruchtarten, die normalerweise aufgrund des trockenheißen Klimas und der starken Sonneneinstrahlung nicht wachsen würden, können in einem Agrophotovoltaik-System kultiviert werden.
Der Strom selbst kann dann für den Betrieb von Wasserpumpen oder –entsalzungsanlagen oder im Veredelungsprozess wie Reinigung, Verpackung oder Kühlung eingesetzt werden, um die landwirtschaftlichen Produkte noch haltbarer und besser vermarktbar zu machen. In netzfernen Regionen bedeuten bereits wenige Solarmodule zudem eine erhebliche Verbesserung der Lebensqualität, Zugang zu Informationen, Bildung und einer besseren medizinischer Versorgung. So haben im subsaharischen Afrika etwa 92 Prozent der Landbevölkerung keinen Zugang zu Strom. Durch die Agro-PV ergeben sich für die Landwirte eine ganze Reihe neuer Einkommensquellen, gleichzeitig sinkt die Abhängigkeit der Landbevölkerung von fossilen Energieträgern, wie Diesel für Generatoren.
In Chile wurden in drei Pilotanlagen des Fraunhofer ISE die Kombination von Photovoltaik und Gemüseanbau getestet.
Vorteile von Agro- bzw. Aqua-Photovoltaik
Aber auch in humiden Zonen wie in Asien bietet der Einsatz von Agro- bzw. Aqua-Photovoltaik Vorteile. So konnte im vietnamesischen Mekong Delta, wo sich ein Landnutzungskonflikt zwischen Aquakulturen und erneuerbaren Energien abzeichnete, im Projekt SHRIMP nachgewiesen werden, dass der Einsatz von Photovoltaik auf Shrimpsfarmen (Aqua-Photovoltaik) den Ausbau erneuerbarer Energien und so Maßnahmen gegen den Klimawandel ermöglichen, während gleichzeitig die Shrimps-Produktion bei verbessertem Schutz der Wasserressourcen sowie Verringerung von Landnutzung und CO2-Emissionen ausgebaut wird.
Weitere Vorteile der Aqua-Photovoltaik für die Betreiber der Aqua-Farm sind der Schutz gegen Raubtiere, verbesserte Arbeitsbedingungen durch die Verschattung und eine stabile und niedrigere Wassertemperatur, die das Shrimpswachstum begünstigt. Angesichts der weltweit hohen Wachstumsraten von Aquakulturen und Photovoltaik habe das Konzept auch für eine ganze Reihe weiterer Entwicklungs- und Schwellenländer große Relevanz.